Über Weihnachten, die Stimmung in der Gesellschaft und die Rolle der Kirche sprach die WAZ mit Stadtdechant Bernhard Lücking und Superintendent Armin Schneider.
Apropos Weihnachten in Duisburg: Kirchenmänner im Gespräch
Ein Gespräch über Weihnachten und die Weihnachtsbotschaft mit Stadtdechant Bernhard Lücking und Superintendent Armin Schneider
Wie passen Konsumwahn und Weihnachtsbotschaft, rappelvolle Kirchen an Heiligabend und leere Bänke im restlichen Jahr zusammen. Die Chefs der Evangelischen und der Katholischen Kirche in Duisburg liegen in ihren Antworten ganz nah beieinander.
Was ist für Sie der Kern der Weihnachtsbotschaft?
Schneider: Gott ist Mensch geworden, damit wir menschlicher miteinander umgehen.
Lücking: Und Gott ist in einer ganz besonderen Situation Mensch geworden: In Israel.
Gerät die Bedeutung des christlichen Festes im Konsumwahn immer weiter in den Hintergrund?
Schneider: Das ist sicher so. Als junger Pfarrer habe ich noch versucht, dagegen anzugehen. Aber vielleicht verbirgt sich hinter dem Konsumwahn ja auch eine Ahnung, dass da mehr ist als Tannenbaum und Geschenke.
Lücking: Die Adventszeit hat einen eigenen Charakter. Darin drückt sich die Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit, nach dem Erlöser aus. Solange das noch Konsum auslöst, wird immer noch ein Stück der Botschaft transportiert.
Wie passen die vollen Kirchen zu den leeren Bänken übers Jahr?
An Heiligabend werden die Kirchen wieder rappelvoll sein. Ärgert Sie das?
Lücking und Schneider: Uns freut das.
Lücking: Der Ansturm auf die Christmette hat übrigens auch abgenommen. Die Nachmittagsgottesdienste sind heute am vollsten.
Nehmen die Menschen Weihnachten nur noch wahr, wenn sie in die Kirche gehen, oder ist das bloße Tradition? Wie passen die vollen Kirchen zu den leeren Bänken übers Jahr?
Lücking: Weihnachten berührt die Menschen immer noch emotional. Es gehört oft zur Familientradition. Ich finde es gut, dass wir die Menschen wenigstens so noch erreichen können. Gerade vor dem Hintergrund von Kirchenschließungen ist es uns wichtig. Und deshalb ist die Weihnachtsmesse auch eine Herausforderung: Da lege ich ganz viel Wert auf die Vorbereitung.
Schneider: Schließlich könnte es ja sein, dass es dem einen oder anderen so gut gefällt, dass er mal öfter kommt. Weihnachten ist für die Kirchen eine Chance.
Fremdenfeindlichkeit in der Kirche ist nicht denkbar.
Fremdenfeindlichkeit, Altersarmut, Kinder ohne Bildung - werden die christlichen Werte in breiten Teilen der Gesellschaft noch gelebt?
Schneider: Es gibt Entwicklungen, die mir große Sorgen machen. Es gibt Menschen, die fühlen sich abgehängt. Aber sie sollten nicht Populisten auf den Leim gehen, die auf alles eine einfache Antwort haben. Die Kirchen stehen für Solidarität und Nächstenliebe. Ohne sie geht die Gesellschaft vor die Hunde.In Basel hat einmal jemand in eine Kirchenbank geschnitzt: Mach’s wie Gott - werde Mensch!
Lücking: Wer Weihnachten in meine Gemeinde kommt, der sieht Menschen aller Hautfarben, aus vielen Ländern der Welt. Fremdenfeindlichkeit in der Kirche ist nicht denkbar. Und dass viele etwas gegen Armut tun wollen, sehen sie jedes Jahr nach dem Gottesdienst am Ergebnis der Kollekte.
Wie können Sie die Weihnachtsbotschaft heute noch vermitteln? Reicht die Predigt, oder sind sie auch bei facebook und Co vertreten?
Schneider: Das Elektronische macht bei uns die Presseabteilung. Ich selbst bin nicht bei facebook.
Lücking: Die Pfarrnachrichten werden natürlich auch elektronisch veröffentlicht. Jüngere Kollegen sind auch bei facebook vertreten. Aber die katholische Kirche vermittelt die Weihnachtsbotschaft auch noch auf andere Weise: Durch die Sternsinger, die von Haus zu Haus gehen.
Eine friedliche Stadtgesellschaft aufrecht erhalten
In sozialen Medien häufen sich Angriffe gegen die Kirche und Kirchenvertreter. Registrieren Sie so etwas auch für Duisburg?
Beide: Hier in Duisburg ist uns so etwas nicht bekannt.
Schneider: Aber Hasstiraden im Internet finde ich eine ganz üble Sachen. Es ist besorgniserregend, wie Leute, ohne ihr Gesicht zu zeigen, andere niedermachen und verleugnen. Ich kontere mit der Bibel: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten.
Wie verbringen Sie ihr Weihnachtsfest?
Lücking: Die Gottesdienste sind sehr anstrengend. Danach bin ich alleine. Bei einem Weihnachtsbaum mit echten Kerzen. Und nach den Feiertagen fahre ich zu meiner Schwester.
Schneider: Ich habe Gottesdienst, meine Frau, die auch Pfarrerin ist, ebenfalls. Wenn alles klappt essen wir danach mit unseren beiden Söhnen. Und auch bei uns ist ein Tannenbaum mit echten Kerzen unverzichtbar.
Haben Sie einen persönlichen Weihnachtswunsch?
Lücking: Gerade vor dem Hintergrund der Bilder aus Aleppo wünsche ich mir Frieden. Ich hoffe, dass die Bürger Europas bei den Wahlen im kommenden Jahr nicht in die nationalistische Ecke driften Und ich hoffe, dass es in Duisburg gelingt, eine friedliche Stadtgesellschaft aufrecht zu erhalten. Und mit Blick auf die Gemeinde-Umstrukturierungen wünsche ich mir, dass wir unsere Botschaft noch stärker umsetzen können. Und das auch und gerade in der Ökumene.
Schneider: Ich wünsche mir Gesundheit für meine Familie. Und für alle Menschen wünsche ich mir: Frieden auf Erden. Ich weiß, dass es der gelebten Wirklichkeit seit 2000 Jahren widerspricht. Aber Weihnachten heißt auch, dass wir diese Hoffnung nicht aufgeben.
(aus: waz.de, 24.12.16)