Kultur im Kirchenkeller

In einem Kellerraum unter der Pfarrkirche St. Joseph finden seit zwei Jahren Ausstellungen und Lesungen statt. Ein Bericht der Rheinischen Post.


Kultur im Kirchenkeller ist Kult

Josef Tobias (sitzend) Ende Juni in der Reihe „Literaturmob“ im Keller unter St. Joseph. Die Künstler Martin Schmitz (li) und Bernd Meyer (re), warten auf die Dinge, die da kommen. (RP-Foto: Andreas Probst)
Josef Tobias (sitzend) Ende Juni in der Reihe „Literaturmob“ im Keller unter St. Joseph. Die Künstler Martin Schmitz (li) und Bernd Meyer (re), warten auf die Dinge, die da kommen. (RP-Foto: Andreas Probst)

Der Keller der St.-Joseph-Kirche ist als Kulturort entdeckt worden. Heute ist die Finissage der Ausstellung „Die schöne Medusa“ von Ulrike Gerritzen zusammen mit einer Lesung aus dem Buch „Wer hat Dornröschen wachgeküsst?“

Von Olaf Reifegerste

Das Lehmbruck Museum hatte einst mit der „Knienden“ seinen „Flashmob“, Ruhrort als Kreativquartier mal einen „Cashmob“ und der Verein „Kultursprung“ veranstaltet seit geraumer Zeit einen „Frühstücksmob“ und jetzt noch einen „Literaturmob“ dazu. Der Ausdruck „Mob“ stammt übrigens aus dem Englischen („mob“) und meint übersetzt eine aufgewiegelte Personenmenge aus dem gemeinen Volk. Insofern ist der Begriff abwertend beziehungsweise negativ besetzt und wird laut Duden obendrein noch mit Pöbel, Meute, Gang oder Bande gleichgesetzt.

Doch zu den eben aufgezählten „Mob“-Treffen versammelte sich in Duisburg keine kriminelle Unterschicht, vielmehr kam das sogenannte Bildungsbürgertum und die gesellschaftliche Intelligenz. Beim „Literaturmob“ kommt es ohnehin nicht auf Masse, sondern eher auf „Klasse“ an, zumal die Räumlichkeit gar keine Menschenmassen zulassen würde. Abgehalten wird der „Literaturmob“ nämlich in einem kleinen Vorraum zum Heizungskeller der Pfarrkirche St. Joseph am Dellplatz. Der Zugang befindet sich über eine kleine Außentreppe bei der Sakristei an der Südseite der Kirche. Veranstalter ist der „Kultursprung e.V.“ in Kooperation mit dem Zusammenschluss „Art Sankt Joseph“. Die Idee dazu hatte im vorigen Jahr Luise Hoyer, Kulturaktivistin und Vorsitzende des „Kultursprung“-Vereins. „Mittlerweile sind die Veranstaltungen hier im Keller Kult geworden“, sagt Josef Tobias, der als enger Mitstreiter von Hoyer ebenfalls dazugehört.

Begonnen hatte alles mit der Wiedereröffnung der Kirche beim zweiten "Platzhirsch"-Festival im August 2014. Die Kirche diente seinerzeit erstmals als Festivalspielort für Musik, Kunst und Literatur. Auch der Keller war mit einer Lesung dabei. Im Oktober 2014 fand dann die erste Ausstellung dort unten statt: Anlässlich des Jahrestages der verheerenden Bombardierung Duisburgs zum Ende des Zweiten Weltkriegs eröffnete „Kultursprung“ die Fotoausstellung „Schutzraum“. Auf die morbide Kellerwand wurden Bilder aus unterirdischen Bunkern projiziert. Zugleich war eine Kinderstimme zu hören, die Kindheitserinnerungen von Heinrich Abels aus dessen Buch „Als der Turm der St. Joseph-Kirche auf den Dellplatzbunker fiel“ vortrug. Die erste Kunstausstellung zeigte einen Monat später eine Installation der Duisburger Künstlerin Angelika Stienecke unter dem Titel „Sie kommen“, die sich von der Kelleratmosphäre inspirieren ließ. Weitere Ausstellungen Duisburger Künstler folgten, darunter Arbeiten von Josef Tobias und Peter Steinebach bis hin zu Bernd Meyer im Rahmen des mittlerweile dritten „Platzhirsch“-Festivals 2015.

Im Dezember des gleichen Jahres startete Hoyer dann ein etwas modifiziertes Veranstaltungsformat in dem Kirchenkeller, indem sie die regelmäßigen Themenausstellungen unter ein Jahresmotto („Der gute Kern“) stellte und die besagte „Literaturmob“-Reihe offiziell ins Leben rief. Ausstellung (16 bis 19 Uhr) und Lesung (18 Uhr) sind seitdem jeden Donnerstag dort kostenfrei besuchbar.

Den Anfang machte die Sammelausstellung „Gesichter Geschichten“ mit Petra Anders, Christina Böckler, Arno Gendreizig, Elisabeth Höller, Luise Hoyer, Friederike Huft, Evangelos Koukouwitakis, Josef Tobias und Annik Traumann. Alle beteiligten Künstler brachten dann zum jeweiligen Termin einen Lieblingstext mit, den sie für rund 30 Minuten zu Gehör brachten. So kamen insgesamt neun Lesungen zustande, manche davon sogar mit eigenwilliger Musikbegleitung.

Im Februar des Jahres folgte eine Ausstellung von Heinz Hüls unter dem Titel „Camera Crypta“ mit dazugehörigen Lesungen, gefolgt von der räumlich umschlingenden Installation mit Objekten „Die schöne Medusa“ von Ulrike Gerritzen. Dazu gab es „Literaturmob“-Lesungen mit Chinmayo, Rupert Seidl, Klaus Brüggenwerth und zuletzt Josef Tobias anstelle der erkrankten Luise Hoyer. Am heutigen Donnerstag ab 16 Uhr ist die Finissage der Ausstellung. Als „Literaturmob“ stellt um 18 Uhr die anwesende Künstlerin ihr dazu ausgesuchtes Lieblingsbuch „Wer hat Dornröschen wachgeküsst?“ von Iring Fetscher vor.

Am nächsten Donnerstag, 21. Juli, steigt gleich die nächste Ausstellung, diesmal mit Werken von Elisabeth Höller. Und zur vierten Ausgabe des „Platzhirsch“-Festivals, das vom 2. bis 4. September stattfindet, wird es eine Doppelausstellung von Ulrike Waltemathe und Evangelos Koukouwitakis mit einer Mitternachtslesung im Keller unter St. Joseph geben.

Mehr Informationen zu „Kultursprung“ (http://www.kultur-sprung.de) und „Art Sankt Joseph“ (http://www.art-sankt-joseph.de) sind auf deren Internetseiten zu erhalten oder über Luise Hoyer (Telefon 0171-9091708).

(aus: rp-online.de, 14.07.16)



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