Katholiken und Gewerkschaften erinnern gleichermaßen an Franz Wieber (1858-1933). In ihrer Serie „Bedeutende Duisburger Demokraten“ stellt die Rheinische Post den Gründer des Christlichen Metallarbeiterverbandes vor.
Standhafter Christ und Arbeiterführer
Von Elke Braun
Franz Wieber (1858 bis 1933) war Gründer und Vorsitzender des Christlichen Metallarbeiterverbandes, Zentrumsmitglied und Reichstagsabgeordneter. Katholiken und Gewerkschaften erinnern gleichermaßen an den Duisburger Ehrenbürger.
Ist der Lebensweg auch nur im Ansatz bekannt, dann ist klar: Franz Wieber war einer der großen Duisburger – nur kaum jemand erinnert sich noch an diesen Mann. Den Wieberplatz, den kennen alle, die zum Katholischen Stadthaus müssen. Den Wieber-Saal, den kennen alle, die zu Veranstaltungen ins Gewerkschaftshaus am Stapeltor gehen. Unbekannt ist aber schon, dass das Gewerkschaftshaus selbst im weitesten Sinne zum „Erbe“ Franz Wiebers gehört. Es wurde nach 1945 auf dem Gelände des alten Sitzes des Christlichen Metallarbeiterverbandes errichtet. Die Gründung der Einheitsgewerkschaft DGB machte es möglich.
Wer war dieser Mann, nach dem auch in vielen anderen Städten Straßen benannt wurden?
Genannt seien erst einmal nur die herausragenden Momente des Lebenserfolges: Ein Arbeiter wird Gründer und Vorsitzender des Christlichen Metallarbeiterverbandes, Gründer und Schriftleiter der damals bedeutenden Arbeiterzeitung „Echo vom Niederrhein“, Reichstagsabgeordneter für das Zentrum von 1919 bis Januar 1933, Ehrenbürger der Stadt Duisburg, Ritter des Päpstlichen Gregorius-Ordens. Eine Lebensbilanz, die wir uns in ihrer Bedeutung heute kaum noch vorstellen können, und deren einzelne Etappen sich hier nicht angemessen darstellen lassen. Eine kurze Biografie seines Sohnes Georg erschien in den Duisburger Forschungen im Jahr 1970.
Gleich in zwei turbulenten Epochen der deutschen Geschichte, dem Wilhelminischen Kaiserreich und der Weimarer Republik, ist sein Wirken angesiedelt. Daher sei hier nur das Lebensmotiv von Franz Wieber in den Mittelpunkt gestellt: Die unsäglichen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Industriearbeiter lernte er kennen, als er als Jugendlicher ins Ruhrgebiet kam; bekam die Widerstände zu spüren, wenn Abhilfe geschaffen werden sollte. Zum Beispiel Entlassung bei gewerkschaftlicher Betätigung. Seine Vorstellung von einer weltanschaulichen und religiös neutralen Gewerkschaft scheiterte an den inneren Gegensätzen der jungen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. Einem Dachverband von Formern schloss er sich mit einem kleineren Verband katholischer Arbeiter an, sie setzten dabei auf die in der Satzung zugesicherte Neutralität des Berufsverbandes – um dann wegen antireligiöser Propaganda im Zentralorgan des Verbandes diesen wieder zu verlassen.
Diese erste folgenreiche Trennung in der Arbeiterbewegung zwischen den freien und christlichen Verbänden wird in der Geschichtsschreibung der politischen Linken zumeist übersehen. In manchen Ländern prägt diese Trennungslinie Europas heute noch das Gewerkschaftswesen; in Deutschland konnte sie nach 1945 überwunden werden.
Für den Lebensweg Franz Wiebers spielt die Gemeinde St. Joseph (Dellviertel) eine zentrale Rolle. Zu Beginn gefördert vom Gemeindepfarrer, werden die Aktivitäten beider zum Gegenstand der Besorgnis für vorgesetzte Kirchenkreise und einflussreiche katholische Laien aus „besseren Kreisen“. Es kommt zur Versetzung des Pfarrers, zum Zerwürfnis zwischen Arbeiterverein und der Gemeinde – und erst ein päpstlicher Segen Leo XIII. ebnet den Weg zur Schlichtung. Stein des Anstoßes blieb sein Beharren auf demokratischer Organisation. In der Gewerkschaft wie im Pressewesen. Das „Echo des Niederrhein“ wurde auf genossenschaftlicher Basis gegründet, Versuche die demokratische Selbstorganisation der Arbeiter durch weisungsgebundene kirchliche „Fachabteilungen“ zu ersetzen, wurden zurückgewiesen.
Die Rechte der kirchlichen Hierarchie bezogen sich für Franz Wieber auf die kirchlichen und religiösen Belange – nicht auf die gewerkschaftlichen. Es fiel wohl auch einmal der Satz in den Auseinandersetzungen zwischen den beiden katholischen Flügeln „Bis hierher und nicht weiter!“ Auf diesem Fundus verfolgte Franz Wieber in den Wirren der Gründungsjahre der Weimarer Republik, der oft vergessenen Ruhrbesetzung, aber auch in den bitteren Untergangsjahren ab 1929 seine Politik – über die sich heute immer noch streiten ließe. Nur gilt dies für alle anderen Politiker dieser Zeit auch.
Für Franz Wieber gilt aber auch: Er ist sich treu geblieben. Sein Sohn berichtete, er habe sich als „demokratischen Föderalisten“ bezeichnet. Dass er dies geblieben ist, belegt ein persönliches Detail: Als Ritter des Päpstlichen Gregorius-Ordens erhielt das Recht, eine ritterlichen Tracht und einen päpstlichen Orden zu tragen. Die Tracht trug er wohl nie, den Orden legte er wohl nur bei Fronleichnams-Prozessionen an.
Die Bedeutung Franz Wiebers für seine Zeitgenossen wird an einem Detail deutlich: Gestorben am 30. April 1933, zwei Tage vor dem SA-Sturm auf die freien Gewerkschaften, dem Mord an den vier Duisburger sozialdemokratischen Gewerkschaftern, nahmen an seiner Beerdigung am 4. Mai um die 10 000 Menschen teil. Damals eine politische Demonstration.
(aus: rp-online.de, 03.08.13)
Mit Franz Wieber startet die RP eine Serie, in der bedeutende Duisburger Demokraten gewürdigt werden, die – unter zum Teil schwierigsten Bedingungen – humanitäre Werte stets hoch gehalten haben. Die Serie entsteht in Zusammenarbeit mit dem Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“.
Elke Braun, die Autorin dieser ersten Folge, ist Mitglied der Duisburger Abteilung dieser parteipolitisch unabhängigen Vereinigung.